Frau des Monats Mai 2022: Margot Heumann

06.Mai 2022 | Frau des Monats

Margot Heumann

 

Geboren am 17. Februar 1928 in Hellenthal, Deutschland 

Gestorben am 11. Mai 2022 in Green Valley, Arizona, Vereinigte Staaten

 

Überlebende der Shoah, jüdische und lesbische Zeitzeugin der NS-Zeit

Margot Heumann wurde als erste Tochter von Johanna Heumann (geb. Falkenstein) und dem Einzelhändler Karl Heumann in Hellenthal an der belgischen Grenze geboren. Zusammen mit ihrer jüngeren Schwester Lore erlebte sie eine glückliche Kindheit in der Eifel und später in Lippe.

In den 1930er Jahren zog die gut situierte Familie nach Bielefeld, wo der Vater beim Hilfsverein der deutschen Juden tätig war.

Da im NS-Staat jüdische Kinder zunehmend vom staatlichen Bildungssystem ausgegrenzt wurden, gingen die Schwestern auf eine jüdische Schule. Margot entdeckte schon früh, dass sie sich zu anderen Mädchen hingezogen fühlte, so auch zu ihrer besten Freundin, die allerdings heterosexuell war.

Ab September 1941 musste die Familie Heumann den gelben Stern tragen, danach begannen die Deportationen der meisten Bielefelder Juden in Vernichtungslager. Da Margots Vater für eine jüdische Einrichtung arbeitete, wurde die Familie zunächst verschont, im Juni 1943 jedoch nach Theresienstadt verbracht.

Die beiden Mädchen wurden in Jugendheimen untergebracht, die ein wenig bessere  Lebensbedingungen boten als die KZs für Erwachsene, z.B. nahrhafteres Essen. Dies war das Verdienst der „Jugendfürsorger“ Egon Gonda Redlich und Fredy Hirsch.

 

Margot und Lore verbrachten diese Zeit in unterschiedlichen Heimen, da alle Kinder nach Geschlecht, Alter und Sprache getrennt wurden. Margot Heumann verliebte sich in die Wienerin Dita, die ohne Eltern nach Theresienstadt gekommen war, in Begleitung ihrer Großmutter und Tante. Die beiden waren unzertrennlich, schliefen im selben Bett und tauschten Zärtlichkeiten aus. Dies blieb allerdings ihr Geheimnis, sie gaben sich als „beste Freundinnen“ aus. 

Erstaunlicherweise gab es in Theresienstadt ein reges Kulturleben, besonders von Opernaufführungen wie „La Bohème“ von Puccini war Margot begeistert. Im Mai 1944 wurde Margot Heumann mit ihrer Familie ins KZ Auschwitz-Birkenau gebracht, was die Trennung von ihrer geliebten Dita bedeutete.  Im sogenannten „Theresienstädter Familienlager“ traf sie die Freundin jedoch wieder. Anfang Juni wurde das Lager aufgelöst, Menschen wurden zur Zwangsarbeit verurteilt oder ermordet.

Margots Eltern wurden in Auschwitz ermordet, die dreizehnjährige Schwester kam im KZ Stutthof bei Danzig um. Margot und Dita wurden als Zwangsarbeiterinnen nach Hamburg in die Außenlager des KZs Neuengamme gebracht. Die beiden Sechzehnjährigen versuchten ihre Beziehung unter den grausamen Bedingungen aufrecht zu erhalten.

Nach der Lagerauflösung im April 1945 wurden die jüdischen Frauen auf einen Todesmarsch nach Bergen-Belsen getrieben. Am 15. April 1945 befreite die britische Armee das Konzentrationslager. Margot Heumann litt zu dieser Zeit an Typhus und war bis auf 35 kg abgemagert. Nach einer langen Behandlung im Krankenhaus, schickte sie das Internationale Rote Kreuz nach Schweden. Dies bedeutete die räumliche Trennung von Dita, die zurück blieb und später nach England zog.

Während ihres zweijährigen Aufenthalts in Schweden konnte Margot Heumann zum ersten Mal ein geregeltes Leben führen, zur Schule gehen und Liebesaffären mit Frauen eingehen. 1947 besuchte sie Verwandte in New York – aus dem geplanten einen Jahr wurden Jahrzehnte. Sie fand eine Stelle in einer renommierten Werbeagentur und begann eine Liebesbeziehung mit Lu Burke, einer Intellektuellen, die als Lektorin für den New Yorker arbeitete.

Margot Heumanns Kinderwunsch war nach einiger Zeit so groß, dass sie sich von Lu Burke trennte und 1953 einen Kollegen aus einer anderen Werbeagentur heiratete. Sie bekam zwei Kinder und führte ein komfortables Leben in einem Haus in Brooklyn. Ihre Affäre mit einer Nachbarin wurde von den Ehemännern der beiden nicht bemerkt. Margot erlebte physische Gewalt durch ihren Ehemann, den sie nach 20 Jahren Ehe verließ. Sie wagte aber erst mit 88 Jahren einen Neuanfang im Südwesten der USA. Jetzt erst outete sie sich gegenüber ihrer Familie, die jedoch nicht überrascht reagierte: sie hätten es schon immer gewusst.

Mehrere Archive zeichneten Margot Heumanns Lebensgeschichte auf durch eine Vielzahl von Dokumenten. 2019 besuchte sie das ehemalige KZ Neuengamme um als Zeitzeugin Schulklassen aufzuklären. Erst 2020 sprach Margot Heumann mit der tschechische Historikerin Anna Hájková in Interviews über ihre Sexualität.

 

Am 28.12.2020 erschien Hájkovás Artikel im Tagesspiegel: „Das wundersame Leben der Margot Heumann. Ein einzigartiges historisches Zeugnis: Erstmals spricht eine lesbische Frau, die als Jüdin die KZs überlebte, über ihre Geschichte“. Auf dem „Brighton Fringe Festival“ in Großbritannien wurde 2021 das Theaterstück „The Amazing Life of Margot Heuman“ uraufgeführt.

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