Frau des Monats Dezember 2019: A’zam ‚Ala’i-Taleghani

02.Dezember 2019 | Frau des Monats

A’zam ‚Ala’i-Taleghani

Geboren 1943 in Teheran, gestorben am 30.10.2019 in Teheran

Iranische Politikerin, muslimische Frauen- und Menschenrechtsktivistin, die sich insbesondere für das passive Wahlrecht für Frauen im Iran einsetzte, Herausgeberin der Frauen-Zeitschrift „Payame-Hagar“

„She refused to give up.“

1943 in Teheran geboren, wuchs A’zam Taleghani als eines von neun Kindern auf. Als Tochter des Ayatollahs Mahmoud Taleghani, wurde sie religiös erzogen und entwickelte schon früh ein Interesse für Politik. Sie schloss sich den Bemühungen ihres Vaters zum Sturz des Monarchen Pahlavi und der Errichtung einer islamischen Republik an und vertrat stets einen islamischen Sozialismus und wollte ihren Glauben mit modernen Ideen verbinden. Als Regimegegnerin der Schah-Herrschaft wurde sie für mehrere Jahre inhaftiert und gefoltert. Nach der islamischen Revolution war sie eine der ersten Frauen im Parlament und strebte die Kandidatur auf das Präsidentenamt an.

Die Einführung des passiven Wahlrechts für Frauen, also nicht nur wählen, sondern auch kandidieren zu können, sollte Zeit ihres Lebens auch ihr größtes Projekt bleiben. A’zam Taleghani begründet den Anspruch auf die gesetzliche Gleichberechtigung von Mann und Frau als gläubige Muslima mit dem Koran. So kann das arabische Wort „Ragul“ sowohl mit „Mann“ als auch mit „Person“ oder „Mensch“ übersetzt werden. Sie argumentiert, dass an vielen Stellen im Koran die Übersetzung als „Mensch“ verstanden werden kann und dies deshalb auch in der iranischen Verfassung so gemeint sei und damit Frauen mit einschließe.

Seit 1997 versuchte sie sich für die Wahl auf das Präsidentenamt aufstellen zu lassen. Wie einige andere Frauen wurde sie jedoch jedes Mal vom religiösen Wächterrat abgelehnt und im Vorhinein von der Wahl ausgeschlossen. 2017 startete sie im Alter von 73 Jahren ihren letzten Versuch, jedoch erfolglos, bevor sie dann Anfang diesen Jahres verstarb.

Ihr Kampf um das Recht als Frau das Amt der Richterin bekleiden zu können verlief dagegen erfolgreicher. Dies erwirkte sie zusammen mit anderen Aktivistinnen im Jahr 1997.

Neben ihrem politischen Engagement arbeitete sie als Lehrerin und gründete und leitete später eine Schule in einer der wirtschaftlich schwächsten Gegenden Süd-Teherans.

Über die Frauen-Zeitschrift „Payame-Hagar“, die sie herausgab, verschaffte sie benachteiligten Gruppen Gehör und beharrte kompromisslos auf deren Rechten. So bezieht sich der Titel der Zeitschrift  auf die Magd und Zweitfrau Abrahams „Hagar“, die als Symbol für die Entrechteten zu verstehen ist. Neben dem Einsatz für Frauenrechte setzte sie sich für Menschen mit Behinderung, Kinder, Geflüchtete und Migrant_innen ein. Mitte der 80er Jahre gründete sie ein Fraueninstitut (das NGO Status hat) sowie den „Verein der Muslimischen Frauen des Irans“.

Nach der Errichtung der islamischen Republik nutzte sie die Zeitschrift, um an die Versprechen der iranischen Revolution zu erinnern und zitiert beispielsweise auf der Titelseite einer Ausgabe des Jahres 1991 den Ayatollah Chomeini, der von 1979 bis 1989 der geistige Führer des Irans war: „Im System der Islamischen Republik hat die Frau die gleichen Rechte wie der Mann: das Recht auf Bildung, auf Arbeit, auf Eigentum sowie aktives und passives Wahlrecht“.

Durch die Folgen für die Rechte von Frauen durch die islamische Revolution und das islamische Rechtssystem – die Scharia –, ist ihre Person sicher streitbar.

Für A’zam ‚Ala’i-Taleghani ging ihr starker Glaube immer mit der Gleichberechtigung der Geschlechter Hand in Hand, und so bringt sie in einem Interview 2013 ihre Enttäuschung über die islamische Revolution zum Ausdruck, als sie einräumt, dass diese nicht den Frieden und die Gerechtigkeit gebracht habe, die sie sich als Teil der Bewegung erhofft hatte.

Quellen:

https://www.igfm.de/frauen-im-iran/

https://www.nytimes.com/2019/11/01/world/azam-taleghani-dead.html

https://en.wikipedia.org/wiki/Azam_Taleghani

https://english.shabtabnews.com/2019/11/05/iranian-activists-mourn-azam-taleghani-campaigner-for-womens-rights/

https://www.derstandard.at/story/2000056078032/azam-taleghani-zwanzig-jahre-sprachstreit-mit-dem-waechterrat

Abid, Lise J. (1999): Die iranische Frauenzeitschriften als Katalysator für den sozialen Wandel. In: Frauen in islamischen Welten. Eine Debatte zur Rolle der Frau in Gesellschaft, Politik und Religion. Hrsg.: Angelika Vauti & Margot Sulzbacher. Frankfurt am Main: Brandes & Apsel Verlag.

Bildquelle: Wikipedia

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