Frau des Monats Oktober 2019: Anne Beaumanoir

01.Oktober 2019 | Frau des Monats

Anne Beaumanoir

Geboren 30.10.1923 in Saint-Cast-le-Guildo, Bretagne

Französische Neurophysiologin. Kämpferin gegen Faschismus und Kolonialismus. Sie erhielt den Yad Vashem – Ehrentitel „Gerechter unter den Völkern“ für die Rettung von jüdischen Menschen im Zweiten Weltkrieg.

Anne Beaumanoir wuchs in einem nonkonformistischen, toleranten Elternhaus auf. Die Eltern Jean und Marthe stammten aus unterschiedlichen sozialen Klassen. Ihr Vater verzichtete sogar auf sein Erbe, um seine Freundin Marthe heiraten zu können. 1939 schloss sie sich der kommunistischen Jugendherbergsbewegung an und stieß während des Krieges als 16-jährige Gymnasiastin zur Résistance. Sie begeisterte sich für die Revolution, war nahezu angstfrei bei ihren gefährlichen Aktivitäten als Kurierin. Während des Krieges begann sie ein Medizinstudium, konnte dieses aber erst nach 1945 abschließen. Nach der Verhaftung einiger Aktivist_innen in der Résistance wurde sie zu einem Widerstandsnetz nach Paris geschickt. Dort herrschten strenge Regeln, ständig wurden Decknamen und Adressen gewechselt, persönliche Beziehungen waren verboten. Anne Beaumanoir verliebte sich trotzdem in den aus Deutschland emigrierten „Halbjuden“ Roland, dessen richtigen Namen sie nie erfuhr. Als sie hörte, dass eine Razzia nach versteckten Juden geplant war, wollte sie diesen helfen. Im Versteck fand sie einen Vater mit zwei Jugendlichen und eine Mutter mit einem Säugling vor. Die jungen Leute, Simone und Daniel, ließen sich zum Mitkommen überreden, während der Vater blieb und später ums Leben kam, ebenso wie die Mutter des Babys. Dieses konnte gerettet und in die USA geschmuggelt werden. Beaumanoirs Eltern nahmen Simone und Daniel wie eigene Kinder bei sich auf und hielten auch nach Ende des Krieges engen Kontakt. Schließlich entdeckten die Befehlshaber der Résistance Annes Liebesbeziehung zu Roland und versetzten das Paar zur Strafe an verschiedene Orte. In Lyon sollte Beaumanoir für die Jungen Laizistischen Kombattanten spionieren. Ihr Geliebter wurde auf der Flucht von einer französischen Miliz erschossen.

Nach dem 2. Weltkrieg setzte sie ihr abgebrochenes Medizinstudium in Marseille fort. Sie wurde Professorin für Neurologie und heiratete einen Arzt, mit dem sie zwei Kinder bekam. 1955 trat sie wegen Streitigkeiten aus der Kommunistischen Partei aus. Sie setzte sich für die Nationale Algerische Befreiungsfront (FNL) ein und wurde persönliche Assistentin des Leiters der FNL. 1959 verurteilte sie ein französisches Militärgericht wegen dieses Engagements zu 10 Jahren Haft. Sie war schwanger und durfte ihr erstes Kind nur unter Hausarrest zur Welt bringen. Dies war für sie die Gelegenheit zur Flucht nach Tunis, sie musste aber die Trennung von ihrem Mann und den beiden Söhnen in Kauf nehmen, da diese offiziell nicht einreisen durften. Ihr selbst war auch nach der Unabhängigkeit Algeriens 30 Jahre lang die Rückkehr nach Frankreich verwehrt. Sie arbeitete im Team des Gesundheitsministers und half beim Aufbau eines neuen Gesundheitssystems. Nach einem Putsch konnte sie 1965 in die Schweiz fliehen, wo sie als Neurophysiologin in Genf tätig war. Während des Regimes von Präsident Bouteflika war ihr die Einreise nach Algerien bis heute verwehrt.

Die aktuelle Demokratiebewegung in Algerien beobachtet sie mit großem Interesse und Optimismus.

2019 ist der erste Teil ihrer Autobiografie „Wir wollten das Leben ändern“ auf Deutsch erschienen.

Quellen:

der Freitag Nr. 30, 25. Juli 2019, S. 30

https://de.wikipedia.org/wiki/Anne_Beaumanoir

 

Bildquelle:

Wikipedia

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